Synoptische Übersicht:

Wie schon am Vortag lag Deutschland weiterhin vor einer Frontlinie über Westeuropa, sodass weiterhin feuchtwarme Luft herangeführt wurde. Vielerorts wurden Temperaturen über 35°C gemessen; in Rheinau am Oberrhein wurden sogar 37,7°C registriert, womit der Pfingstmontag das heißeste Pfingstfest seit Beginn der Aufzeichnungen markiert.
Innerhalb dieser Warmluft bildeten sich mehrere Konvergenzlinien und durch die andauernde kräftige Gewitterbildung mehrere Bodentiefs, die insbesondere nach Sonnenuntergang noch für eine bemerkenswerte Dynamik der Gewitter sorgten.
Nicht nur die extreme Labilität und Energie der Luftmasse, sondern auch die v.a. im Westen recht starke Windscherung bot ideale Bedingungen für die Entwicklung schwerster Unwetter, sodass Estofex (European Storm Forecast Experiment) ein Level 3 für den besonders gefährdeten Bereich herausgab.

 

Wetterkarte

Eine heiße und feuchte Luftmasse wurde von einem Tief vor GB nach ME geführt - Grafik: Wetter3.de

 

Estofex

Estofex mit einem Level 3, Grafik: estofex.org

 

Gewitterentwicklung bis 10.06., 10 Uhr:

 

Eine erste Gewitterlinie zog am Mittag aus Belgien in den Raum Aachen. Während der Nordteil rasch zerfiel, bildete sich an ihrem Südrand eine Superzelle heraus. Diese zog Richtung Ost-Nordost, war sehr intensiv und starb am Nachmittag über dem Bergischen Land. Eine weitere starke Zelle zog parallel nördlich davon über das Sauerland und hielt noch bis westlich Kassel durch.
Gleichzeitig zu diesen Zellen, zog vom Niederrhein ein Gewitterkomplex über das südliche Emsland, Bremen und Hamburg bis nach Mecklenburg. Gegen 20 Uhr war auf ganz Deutschland bezogen die Gewitteraktivität sehr gering, jedoch stand eine extrem intensive durchgehende Gewitterlinie vor annähernd der gesamten Westgrenze von Nordrhein-Westfalen.
Durch das Eindringen eines sogenannten Rear Inflow Jets (sehr starker, rückseitig im System durch Kaltluftgebiet erzeugter Starkwindstrom, der zur Vorderseite des Systems gerichtet ist) kam es zu einer bogenförmigen Deformation des Südteiles des Systems, während der Nordteil sich stark abschwächte. Ein solcher Gewitterkomplex wird auch Bow Echo genannt und ist bekannt für seine zerstörerischen geradlinigen Winde.

Bow-Echo

Bow- Echo in der Entstehung über Ostbelgien, Foto: Daniel Eggert

 

Durch die Deformation bewegten sich die intensivsten Bereiche nicht mehr Richtung Osten sondern Richtung Nordosten, sodass schon bald fast das gesamte Ruhrgebiet sowie das westliche Sauerland betroffen waren. Nach der Passage des Ruhrgebietes am späten Abend kam die Bodentiefentwicklung zu Tragen, wodurch das System eine Eigenrotation bekam. Dadurch wurde ein nach Süden gerichtetes Hebungsfeld erzeugt, dass kurz vor Mitternacht eine Linie von Gewittern über fast ganz Hessen entstehen ließ.

Gegen 1 Uhr nachts erstreckte sich der Komplex über annähernd das gesamte Bundesland Niedersachsen. Die Gewitter aus Hessen zogen ebenso nordostwärts und erreichten am frühen Morgen des 10.06. Nordthüringen und Südniedersachsen, nachdem der große Komplex schon in mehrere kleine zerfallen war, die sich in Ausdehnung und Intensität stets änderten durch Zellneubildung oder Zerfall. Dadurch waren zusätzlich noch der Norden Sachsen-Anhalts sowie Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern betroffen.

Zur gleichen Zeit zog ein neuer sehr starker Gewitterkomplex auf breiter Front von Westen her nach Nordrhein-Westfalen. Dieser schwächte sich jedoch nach Sonnenaufgang rasch ab und erreichte nur noch zu geringen Teilen Ostwestfalen, wo er zerfiel. Die Zellen und Cluster in Brandenburg behielten im gleichen Zeitraum noch eine bemerkenswerte Intensität, sodass diese noch bis Polen weiterzogen.

Blitzortung

Deutlich ist das Bow-Echo auf der Blitzkarte zu sehen, Grafik: lightningmaps.org

 


Schäden:

 

Dadurch, dass Nordrhein-Westfalen von drei Unwetterfronten geradezu überrollt wurde, ist es nicht verwunderlich, dass hier auch die größten Schäden vorhanden sind.
Im gesamten Gebiet Rhein-Ruhr gab es Schäden durch Orkanböen, Hagel, Überflutungen und Blitzschlag.
Tausende Bäume blockierten Straßen und Schienenwege, sodass einige Autobahnen gesperrt werden mussten und der Zugverkehr fast völlig zum Erliegen kam. Im Raum Essen war teilweise die Stromversorgung unterbrochen, Handynetze brachen komplett zusammen.
Vielerorts gab es schwere Überflutungen von Straßen und Kellern, Schlammlawinen und Brände durch Blitzschlag. Auch der Hagel demolierte zahlreiche Autos. Leider kamen bei den Unwettern auch sechs Menschen ums Leben, meist durch umstürzende Bäume.
Schäden gab es ebenfalls in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Brandenburg, meist durch lokale Überflutungen, Blitzschlag oder Sturmböen.

 


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