Synoptische Übersicht:

 

Vorderseitig eines Höhentroges wurde feuchtwarme Luft nach Deutschland aus Südwesten herangeführt. Innerhalb dieser Luftmasse bildete sich präfrontal eine sehr ausgeprägte Konvergenzlinie, die am Nachmittag des 22.05. über der gesamten Westhälfte Deutschlands mit annähernder Nord-Süd-Ausrichtung lag. Die Luftmasse war mäßig energiereich, jedoch war der Höhenwind im Westen relativ stark, sodass hier starke Windscherung vorlag.
Am energiereichsten war die Luft im Osten und Südosten, wo auch die höchsten Temperaturen gemessen wurden, allerdings fehlte zur Gewitterentstehung die nötige Hebung.
Am Freitag wanderte die Konvergenzlinie weiter und wurde insbesondere von Ostsachsen über die Lausitz bis nach Vorpommern wetteraktiv.

 

Wetterkarte

Starke Austrogung über Westeuropa, Grafik: wetter3.de

 

Gewitterentwicklung:

 

1. Gewitterphase


Erste Gewitter zogen am späten Nachmittag von Belgien her nach Deutschland. Dann entwickelte sich über dem Oberrhein ein Gewittercluster, von dem bei der Überquerung des Nordschwarzwaldes eine einzelne kräftige Zelle übrig blieb. Diese schwächte sich etwas ab, während im Lee des mittleren Schwarzwaldes eine Superzelle entstand, die sich in Richtung Stuttgarter Becken verlagerte. Aus der älteren Zelle wurde am frühen Abend eine kräftige linienförmige Zelle, die unter Intensivierung Richtung NNO in den Raum Aschaffenburg zog. Zur gleichen Zeit wurde die Konvergenzlinie auch im Norden aktiv und brachte einige Zellen im Münsterland, in Ostwestfalen und Osthessen, später im Emsland und in Schleswig-Holstein hervor.

Danach entstand noch eine intensive Multizelle im Raum Ulm, die sich nordostwärts verlagerte. Durch nördliches Anbauen vergrößerte sich die Aschaffenburger Zelle zu einer Linie, die bis zum Siegerland reichte. Auch diese zog nordostwärts weiter, sodass auch Mittel- und Osthessen betroffen waren. Am späten Abend ließ die Gewitteraktivität in der Mitte stark nach. Lediglich ein Teil der Multizelle aus dem Ulmer Raum war noch bis nach Unterfranken weitergezogen. Im Norden jedoch entstanden stets neue Zellen von der Lüneburger Heide bis zur Elbmündung sowie östlich Kiel.

Während diese Zellen nordwärts abzogen, lebte die Gewitteraktivität zunächst am Harz wieder auf. Als Reste der Gewitter aus Franken mit ihrer kalten Luft in der zweiten Nachthälfte das Thüringer Becken erreichten, wurde die noch dort liegende feuchte Warmluft sofort in Konvektion umgesetzt. Kurze Zeit später hatte sich eine Gewitterlinie gebildet, die nordwärts Richtung Harz zog. Gegen 2 Uhr MESZ reichte die Linie wie ein Bogen vom Harz bis nach Hannover und war besonders im Südteil sehr blitzaktiv. Später zog noch ein weiteres Gewittercluster über Schleswig-Holstein, während die Linie sich abschwächte und wieder verstärkte.

Als mesoskaliges konvektives System (MCS) hielt der Gewitterkomplex noch bis zum Morgen durch und verließ Deutschland gegen 7 Uhr MESZ über die Schleswig-Holsteinische Ostseeküste.

 

2. Gewitterphase


Die Gewitteraktivität lebte, durch die Konvergenzlinie getrieben, am Nachmittag des 23.05. über dem Westerzgebirge wieder auf, wo einige sehr intensive Zellen entstanden. Weitaus kräftiger waren parallel dazu die Entwicklungen in Tschechien. Ab dem späten Nachmittag waren dann die Ober- und Niederlausitz sowie im weiteren Verlauf bis zum Abend das gesamte deutsch-polnische Grenzgebiet von zum teil sehr heftigen Gewittern betroffen.

Die Komplexbildung setzte im Grenzland sehr schnell ein, jedoch waren die Gewitter dadurch recht lange aktiv. Erst gegen kurz vor Mitternacht verließen die letzten Gewitter Deutschland über die Vorpommersche Ostseeküste.

 

Superzelle

Superzelle in Baden-Württemberg am 22.5., Foto: Erik Christmann

 

Schäden:

In der ersten Gewitterphase gab es vor allem im Raum Stuttgart, Aschaffenburg, Frankfurt/Main, Fulda und im Raum Rendsburg zum Teil beträchtliche Schäden durch Sturmböen, Überflutungen, Hagel und daraus resultierende Autounfälle.
In der zweiten Phase war vor allem der Raum Cottbus von Hagel und Überflutungen betroffen.
An beiden Tagen wurden Funnelclouds (Trichterwolken) beobachtet. Bestätigte Tornados liegen jedoch noch nicht vor.

 

Links:

22.5.:http://www.skywarn.de/forum/viewtopic.php?f=22&t=10974

23.5.:http://www.skywarn.de/forum/viewtopic.php?f=22&t=10981

Chasingbericht: http://www.skywarn.de/forum/viewtopic.php?f=4&t=10977

 

 

   
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